Auch nach Veröffentlichung der Zahlen für Mai 2021 durch das Statistische Bundesamt (DESTATIS) lässt sich keine Trendwende bei der seit längerer Zeit rückläufigen Zahl der Insolvenzanträge erkennen – trotz der, seit dem 01.05.2021 wieder vollumfänglich geltender, gesetzlicher Antragspflichten. Im Gegenteil lagen diese um mehr als 25 % offenbar noch deutlich unter dem Vorjahresniveau von 2020. Dies obwohl zum damaligen Zeitraum zum Ende des ersten Lockdown noch eine weitreichende Aussetzung der Antragspflichten und sogar ein vorübergehendes Verbot von Vollstreckungsmaßnahmen galt.
Abbildung 1 https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/08/PD21_376_52411.html
Auch nach meinen eigenen Erfahrungen in der Praxis stehen die vergleichsweise wenigen Verfahren kaum in einem Zusammenhang mit den Auswirkungen der Pandemie. Es handelt sich entweder um Unternehmen, die sich bereits vor Ende 2019 in einer erheblichen wirtschaftlichen Schieflage befanden, in der Regel ein nicht (mehr) tragfähiges Geschäftsmodell und somit keinen vereinfachten Zugang zu schnellen KfW-Krediten hatten. Oder es sind vermehrt Startups, deren erhoffte Wachstumsphase jedenfalls nach eigenem Dafürhalten durch die Auswirkungen der Pandemie gestoppt wurde und die aufgrund fehlender Bezugsgrößen aus der Vergangenheit nicht für staatliche Hilfsprogramme in Betracht kamen bzw. wenn nur in einem zu geringen Umfang.
Insgesamt ist vielmehr davon auszugehen, dass gerade in den von der Pandemie stark betroffenen Branchen die umfangreichen staatlichen Hilfen wie Kurzarbeitergeld, KfW-Darlehen oder die verschiedenen (Sofort-)Hilfspakete Wirkung gezeigt und die pandemiebedingten Ausfälle – zum Teil mehr als – kompensiert haben. Auch das jedenfalls noch zu beobachtende Wohlwollen von Banken und Finanzbehörden hat sicherlich dazu beigetragen, dass viele Unternehmen bislang zumindest erst einmal Zeit gewonnen haben, ohne unter verschärften Liquiditätsdruck zu geraten.
Abzuwarten bleibt, ob sich manche Geschäftsmodelle ungeachtet verbleibender Einschränkungen als dauerhaft tragfähig erweisen oder manche in der Pandemie entwickelte Lösungen Märkte dauerhaft verändern. Zudem wird sich angesichts gesunkener Eigenkapitalquoten wohl auch vermehrt die Frage stellen, ob die finanzielle Kraft besteht, die unbürokratisch und oft in erheblichem Umfang gewährten KfW-Kredite wieder zurück zu zahlen bzw. umzuschulden. Oder ob der Staat dauerhaft in das Marktgeschehen eingreifen wird, um Insolvenzrisiken durch entsprechende Nachsorgemaßnahmen zu reduzieren.
Interessant auch die Pressemitteilung des VID, dass die seit Jahren rückläufige Zahl der Insolvenzanträge auch mit einer konstant rückläufigen Zahl an Unternehmensgründungen einhergeht.
Volkswirtschaftlich bleibt zu hoffen, dass sich jedenfalls der letztgenannte Wert in Zukunft wieder bessert und wieder mehr potentielle Gründerinnen und Gründer den Mut zur Eigenverantwortung und dem Weg in die Selbständigkeit finden.