Unser Partner André Dobiey hat als Gastautor im EXIS|TENZ Magazin (12/24) einen Beitrag über die wirtschaftlichen Möglichkeiten, aber auch Fallstricke für Traditionsvereine im (Profi-) Fußball geschrieben:
Wohl kaum ein Thema elektrisiert die MeWohl die Menschen hierzulande so sehr wie der Profisport und hier insbesondere der Fußball. Der Erfolg oder Misserfolg des eigenen „Lieblingsvereins“ prägt nicht selten die Stimmung der nächsten Tage für Fans aus allen sozialen Schichten. Das Milliardengeschäft boomt: Mehr und mehr auch in den sozialen Medien und über Cross-Marketing im E-Sport oder Merchandising. Investoren erwerben Anteile an namhaften Clubs.
In Deutschland werden sie dabei noch durch die sogenannte „50+1” Regel begrenzt, wonach die Stimmenmehrheit und Entscheidungshoheit stets bei den Vereinsmitgliedern liegen muss, im Ausland investieren sie mittlerweile fast unbeschränkt. Und obwohl die Finanzen zum Leidwesen mancher Traditionalisten zunehmend im Vordergrund stehen und mittlerweile der Etat selbst zahlreicher Viertligisten etliche Millionen Euro beträgt und dem eines Mittelständlers ähneln, steht doch der sportliche Erfolg im Vordergrund.
Und da esin erster Linie eben doch auf den kurzfristigen Tabellenplatz und nicht das wirtschaftliche Ergebnis ankommt, werden Spieler- und Sportetats gerne „auf Kante” genäht. Und bleibt der erhoffte sportliche Erfolg aus oder gewagte Finanzierungsmodelle funktionieren nicht, folgt dann nicht selten die wirtschaftliche Schieflage bis hin zum Gang in die Insolvenz.
Der 1.FC Kaiserslautern, Alemannia Aachen, der KFC 05 Uerdingen oder die Offenbacher Kickers sind nur einige von zahlreichen Beispielen ruhmreicher Clubs mit großer Tradition, die in den vergangenen Jahren dieses Schicksal getroffen hat.
Während die Clubs der ı. und 2. Bundesliga in der Regel „too big to fail” sind und über hohe Fernsehgelder und internationale Vermarktung weiter hohe Einnahmenpotentiale haben, haben es insbesondere Traditionsvereine wie die oben Genannten besonders schwer, wenn der sportliche Niedergang sie in die Tiefen der 3. Liga, Regionalliga oder gar Oberliga führt. Denn anders als „ambitionierte Dorfvereine”, können namhafte Traditionsclubs die strukturellen Rahmenbedingungen nach einem sportlichen Abstieg und dramatisch sinkenden Einnahmen nicht ohne weiteres dem Liganiveau anpassen. Oftmals sind die Erwartungshaltung im Umfeld, das für 4. oder 5. Liga überdimensionierte Stadion, die personelle Ausstattung der Geschäftsstelle und manchmal sogar das eigene Fanaufkommen noch auf Zweitliganiveau- und ebenso die entsprechenden Fixkosten.
Aber die Fernsehgelder brechen in der 3. Liga stark und ab der Regionalliga nahezu vollständig ein, ebenso wie die Sponsoringzusagen zurück gehen und auch Funktionsträger aus Stadt und Politik eher Abstand zum sportlich erfolglosen und wirtschaftlich angeschlagenen Club suchen. Und der Preis für die hohen Fixkosten bei der Infrastruktur sind dann bestenfalls umso beschränktere Möglichkeiten beim Spieleretat oder eben finanzielles „Harakiri”.
Ob dies ein Hoffen auf windige Investoren, Trikotsponsoren mit Werbezusagen in ähnlicher Höhe des bisherigen Jahresumsatzes (!) besagten Sponsors – mit erwartbarem Zahlungsausfall – oder kreative Gestaltungen von „optimierten Arbeitsverträgen” sind: Die versuchte Umgehung der finanziellen Realität führt oft ins Desaster und in die persönliche Haftung oder gar Strafbarkeit der handelnden Personen.
Dies etwa, wenn das angestrebte Nettogehalt von € 2.500 für den Spieler nur durch fünf Minijobs für ihn sowie vier ihm nahestehenden Personen erreicht wird und dies im Rahmen einer turnusmäßigen Prüfung durch Sozialversicherungsträger oder Finanzverwaltung auffällt. Oder eine Vollzeit-Scheinbeschäftigung im Unternehmen eines Hauptsponsors, dessen Räume der Spieler noch nie betreten hat. Auch mancher ehemals wohlhabender Mäzen hat sich über die Leidenschaft zum Sport bereits privat ruiniert – und mit ihm zugleich den „geliebten” Verein.
Und somit finden die dann eingeschalteten Insolvenzexperten einen Verein vor, der am Boden liegt. Funktionsträger sind öffentlich beschädigt oder bereits „von Bord gegangen” oder „davongejagt worden”. Liquide Mittel sind kaum vorhanden und Vertrauen ist auf allen Ebenen zerstört.
Dies gilt es dann langsam wieder aufzubauen: Sowohl gegenüber dennoch in der Regel wohlwollenden Sponsoren und Fans des Clubs als auch bei Stadt und Politik. Ohne deren Unterstützung ist ein Neustart in Regional- oder gar Oberliga fast unmöglich. Zudem ist zu entscheiden, ob man den Spielbetrieb über eine Insolvenzgeldvorfinanzierung aufrechterhalten kann und will. Ist unter Berücksichtigung dieses Effekts der Etat für den Rest der Saison gedeckt? Auch die steuer- und abgabenfreie Übungsleiterpauschale ist dabei übrigens in der Regel insolvenzgeldfähig.
Das ist gerade für das Trainerteam im Nachwuchsbereich wichtig. Denn dessen störungsfreie Fortführung ist in der Regel ein wichtiges Sachargument für breite Zustimmung zu einer Sanierungslösung des Clubs ist. Denn die Quotenerwartung ist bei Fußballinsolvenzen auf diesem Niveau meistens sehr gering. Da Verträge hier üblicherweise nur für eine Saison bestehen sind Transfererlöse nahezu ausgeschlossen oder ergeben sich allenfalls aus zufälligen Beteiligungen aus früheren Transfers oder Ausbildungsentschädigungen.
Verwertbares Anlagevermögen existiert zumeist nicht. Die laufenden Sponsoring- oder Zuschauereinnahmen sind von der kaum kostendeckenden Aufrechterhaltung des Spielbetriebs abhängig. Und sofern keine nennenswerten Anfechtungsansprüche zu realisieren sind, wird sich die Quotenerwartung daher allenfalls im unteren einstelligen Bereich bewegen. Umso wichtiger sind gute Argumente für eine Zustimmung zu einem sanierenden Insolvenzplan als dem üblichen Mittel der Wahl.
Denn nur so kann gewährleistet werden, dass der Club nach der Entschuldung mit seiner besten Mannschaft in der Liga antreten darf, für die er sich sportlich qualifiziert.
In der Insolvenzsaison ist dabei allerdings auch zu beachten, dass die einschlägigen Verbandsregularien in der Regel einen Abzug von 9-Spielpunkten in der Saison des Insolvenzereignisses vorsehen. Gerade mit Eigenanträgen sollte man daher nicht zu lange abwarten, um hier keine sportlich demoralisierende Belastung beim Neustart in der Folgesaison bzw. nach der Insolvenz zu riskieren. Sehr häufig wird sich ein (neuerlicher) sportlicher Abstieg in der Insolvenzsaison ohnehin kaum verhindern lassen. Dann fällt auch die Bestrafung mit dem 9-Punkte-Abzug sportlich kaum ins Gewicht.
In besonderen Fällen lässt sich allerdings auch mit guten Argumenten vor der Sportgerichtsbarkeit diese Bestrafung abwenden. So beispielsweise, wenn man nachweisen kann, dass die Insolvenz auf „höherer Gewalt” wie etwa der Insolvenz des Hauptsponsors beruhte. Zudem ist sicherzustellen, dass der Etat für die Folgesaison
seriös geplant wird und man eher keine hohen sportlichen Ziele ausruft, sondern auch in der Öffentlichkeit die Notwendigkeit einer Konsolidierung und Stabilisierung hervorhebt. Manchmal lässt sich damit eine gewisse Euphorie des „Neustarts” im Umfeld entfachen. Der ein oder anderen Sponsor lässt sich vielleicht sogar dazu bewegen, einen größeren Beitrag zum Gelingen zu leisten.
Die Kopf- und Summen- bzw. Gruppenmehrheit bei der Abstimmung des zügig zu erstellenden Insolvenzplans sollte dann eigentlich Formsache sein. Und gerade bei Vereinen mit hoher Mitgliederzahl oder einer großen Anzahl an aktiven Jugendlichen werden sich die Insolvenzgläubiger schwertun, den entsprechenden Sanierungsplan abzulehnen – schon aus sozialem Druck, nicht dafür verantwortlich sein zu wollen, dass ein Traditionsverein mit breiter Basis keine „zweite Chance” erhält.
Ob er diese allerdings nutzt, ist keineswegs sicher. Hier gibt es einige erfreuliche Erfolgsgeschichten — aber leider auch mehrere „Wiederholungstäter”, bei denen die finanziellen Mittel auch dauerhaft nicht mit den sportlichen Ambitionen in Einklang zu bringen sind oder unseriöse Akteure die Führung übernehmen und unweigerlich in die Folgekrise bringen. In besonderer Erinnerung bleiben diese Verfahren allerdings unabhängig vom Ausgang auch nach Jahren. Und auch die öffentliche Wahrnehmung ist meistens ungleich höher als selbst bei wirtschaftlich viel bedeutenderen Fällen.