In diesen Monaten ist viel von einer drohenden Insolvenzwelle die Rede. Wir fragten unsere Partnerin Frauke Heier (Fachanwältin für Insolvenzrecht), worauf man achten muss, wenn ein Geschäftspartner in eine finanzielle Schieflage gerät. Darf man seinem insolvenzgefährdeten Kunden überhaupt entgegenkommen?
Geschäftsbeziehungen sind oftmals über Jahre gewachsen und von gegenseitigem persönlichen Vertrauen geprägt. Sympathien auf persönlicher Ebene und eine starke Abhängigkeit von wirtschaftlich bedeutsamen Kundenbeziehungen können auf Lieferantenseite jedoch leicht dazu führen, dass dem Kundenbegehren selbst noch bei erkennbaren, nun durch die Auswirkungen der Pandemie zudem oftmals unverschuldet, eingetretenen Zahlungsschwierigkeiten nachgegeben wird. Da aber nicht darauf vertraut werden darf, dass der Geschäftspartner seine finanziellen Schwierigkeiten in der Krise vollständig offen legen wird, sollten Lieferanten bereits zu Beginn einer Geschäftsbeziehung Vorsichtsmaßnahmen treffen, um vor Forderungsausfällen geschützt zu sein.
So sollte die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Kunden regelmäßig durch die Einholung von Bonitätsauskünften oder die Einsichtnahme in die Veröffentlichungen im Bundesanzeiger überprüft werden und ein Plan B vorliegen, für den Fall, dass der Kunde kurzfristig ausfallen sollte. Zudem ist es ratsam, sich nicht überwiegend nur auf einen Großkunden zu fokussieren, sondern eine Kundenstruktur aufzubauen, mit welcher Forderungsausfälle bei einem einzelnen Kunden oder gar einigen wenigen Kunden kompensiert werden können. Die Vereinbarung von Anzahlungen oder eines Zahlungsplans nach dem Fortschritt der Leistungserbringung mindern das Ausfallrisiko. Sofern eine finanzielle Schieflage des Kunden absehbar wird, sollte lediglich noch gegen Vorkasse geliefert werden. Eine Lieferung gegen Vorkasse und die damit verbundene Einhaltung des „Bargeschäftsprivilegs“ dient ferner der Vermeidung der Anfechtbarkeit der seitens des Kunden erhaltenen Zahlungen im Rahmen eines späteren Insolvenzverfahrens. Für die Annahme eines Bargeschäftes ist es erforderlich, dass Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind und in einem Zeitraum von maximal 30 Tagen abgewickelt werden.
Bei Warenlieferungen empfiehlt sich für Lieferanten darüber hinaus im Vorfeld die Vereinbarung von dinglichen Sicherungsrechten, wie die Vereinbarung von (verlängerten) Eigentumsvorbehaltsrechten oder Sicherungsübereignungen. Ferner besteht die Möglichkeit der Eintragung von Grundpfandrechten zur Sicherung der bestehenden Forderungen sowie die Einholung von Drittsicherheiten in Form von Bürgschaften oder Garantien. Wirksam vereinbarte dingliche Sicherungsrechte bleiben auch in einem Insolvenzverfahren grundsätzlich weiterhin bestehen und sind vom Insolvenzverwalter zu berücksichtigen, sofern diese vom Lieferanten nicht erst unmittelbar vor dem Eintritt der Insolvenz zum Zeitpunkt der Krise in anfechtbarer Weise erlangt wurden. Im Gegensatz hierzu handelt es sich bei ungesicherten Forderungen nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens um Insolvenzforderungen, welche nach erfolgter Forderungsanmeldung beim Insolvenzverwalter lediglich noch in Höhe einer etwaigen Quotenzahlung aus der Insolvenzmasse bedient werden können.
Zeichnet sich die finanzielle Krise eines Kunden ab, in dem dieser beispielsweise nur noch schleppende Zahlungen leistet, ist vom Lieferanten genau abzuwägen, ob das Abhängigkeitsverhältnis zu dem insolvenzgefährdeten Kunden derart hoch ist, dass die Geschäftsbeziehung tatsächlich aufrechterhalten werden muss und gegebenenfalls die Vereinbarung angepasster Zahlungsmodalitäten, wie bspw. längere Zahlungsziele oder Ratenzahlungsvereinbarungen, zu vertreten ist. Zwar schützt aktuell § 2 Abs. 1 COVInsAG die Rückgewähr von Lieferantenkrediten, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder der Umsetzung eines Sanierungskonzeptes des Kunden dienen, sowie die hierfür bestellten Sicherheiten vor einer späteren Anfechtung im Insolvenzverfahren, dies allerdings nur in den Fällen, in denen die Insolvenzursache tatsächlich aus den Folgen der Pandemie resultiert. Die tatsächliche Ursache der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Kunden wird für den Lieferanten meist zum Zeitpunkt, in dem die Entscheidung über die Gewährung eines Lieferantenkredites zu treffen ist, jedoch nur schwerlich prüfbar sein. Vor dem Hintergrund, dass die Insolvenz eines umsatzstarken Kunden und der damit verbundene Forderungsverlust auch die wirtschaftliche Schieflage des Lieferanten verursachen kann, sollten in einem solchen Fall kurzfristig Alternativen gesucht und die Geschäftsbeziehung sodann nach Möglichkeit zum Selbstschutz beendet werden.
Aber auch in dem Fall, in dem tatsächlich ein Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Kunden eröffnet wird, muss dies nicht zwingend das Ende der Geschäftsbeziehung bedeuten. Der Insolvenzverwalter hat hinsichtlich noch nicht vollständig erfüllter Verträge ein Erfüllungswahlrecht und im Rahmen einer Fortführung des Geschäftsbetriebes auch ein Interesse daran, wichtige Vertragsbeziehungen zugunsten der Insolvenzmasse aufrecht zu erhalten. Wählt der Insolvenzverwalter die Vertragserfüllung oder löst er Bestellungen aus, so sind die vereinbarten Leistungen vom Insolvenzverwalter auch aus der Insolvenzmasse zu bezahlen. Eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses mit dem Insolvenzverwalter, gegebenenfalls unter angepassten Konditionen, eröffnet dem Lieferanten im Falle einer erfolgreichen Sanierung sodann die Möglichkeit, die Geschäftsbeziehung auch perspektivisch über das Insolvenzverfahren hinaus mit dem sanierten Unternehmen bzw. dessen neuen Rechtsträger fortsetzen zu können.