Wegen „drohender Zahlungsunfähigkeit“ hat das Amtsgericht Bonn das Insolvenzverfahren über das Vermögen der „Die Pferde App GmbH“ (Bonn) eröffnet. Das Unternehmen vermarktet eine innovative und mobile Software, die weit über den Bereich der Pferdehaltung hinausgehen kann. Wir fragten bei unserem Partnerkollegen und jetzt zum Insolvenzverwalter ernannten Rechtsanwalt André Dobiey (Niering Stock Tömp) nach.
Herr Dobiey – als Insolvenzverwalter erleben Sie es wahrscheinlich nicht oft, dass Firmenverantwortliche sehr frühzeitig und proaktiv wegen „drohender Zahlungsunfähigkeit“ Insolvenz anmelden. Oder?
Eine derart frühe Antragstellung ist in der Tat der absolute Ausnahmefall. Es zeigt, dass die Geschäftsführung hier proaktiv gehandelt und nicht wie viele andere auf „ein Wunder“ gehofft hat, dass sich die Lage schon wieder bessern werde. Eine frühzeitige Antragstellung sorgt einerseits für weniger Schäden auf Seiten betroffener Gläubiger und andererseits auch für eine höhere Wahrscheinlichkeit, Werte zu erhalten – übrigens auch die in der Insolvenz in der Regel nachrangigen Forderungen der Gesellschafter.
In vielen Pferdeställen werden wichtige Aufgaben und Informationen bis heute über Stalltafeln organisiert und kommuniziert. Die innovative Idee der App, die von der Fütterung, über die Pflege und die Bewegung der Pferde bis hin zur Buchung von internen und externen Dienstleistungen alles abbildet, erscheint vielversprechend. Was lief schief?
Nun, zunächst verlief das Wachstum vielversprechend. Aber die Pferdebranche befindet sich ganz überwiegend noch in einer vornehmlich analogen Welt, in der der Grundsatz gilt „das machen wir immer schon so.“ Gerade potentielle größere Kunden mussten somit in persönlichen Gesprächen vor Ort von den vielen Möglichkeiten der App überzeugt werden. Und die konnte man mit Eintritt der Pandemie im vergangenen Frühjahr eben nicht mehr im erforderlichen Umfang führen. Zudem ist auch die gesamte Pferdebranche durch die Auswirkungen der Pandemie in Mitleidenschaft gezogen worden, so dass viele Züchter oder Sportstallbetreiber etwaige Investitionen in die Zukunft erstmal zurückgestellt haben.
Würden Sie unterschreiben, dass das Unternehmen zu einem Opfer der Corona-Pandemie geworden ist?
Ganz sicher. Die Vertriebsaktivitäten wurden durch die angezeigten Kontaktbeschränkungen ganz massiv eingeschränkt – sowohl für die Pferdebranche als auch für etwaige andere Nutzungsmöglichkeiten.
In unzähligen Verfahren wird immer wieder deutlich, dass das verbliebene Eigenkapital nicht ausreicht, um den wirtschaftlichen Turnaround doch noch aus eigener Kraft zu schaffen. War und ist das bei diesem Start-up auch der Fall?
Eine der wesentlichen Hürden für Start-ups ist stets eine auskömmliche Finanzierung der anfänglichen Wachstumsphase. Werden Prämissen aus dem Businessplan nicht erfüllt, dann führt der Weg nicht selten in die Insolvenz. Hier lief eigentlich alles wie geplant und ich gehe davon aus, dass es ohne die Auswirkungen der Pandemie gut funktioniert hätte.
Das Unternehmen ist 2019 durch einen Pitch in der 6. Staffel der VOX-Sendung „Die Höhe der Löwen“ auch überregional bekannt geworden. Die Aussicht, dass man die Nutzung der App auch auf andere Branchen ausweiten kann, sorgte bereits damals für Aufmerksamkeit. Gilt das zwei Jahre später immer noch?
Dies gilt heute mehr denn je. Die App ist vielseitig einsetzbar, wenn es darum geht, eine Betreuung zu organisieren und verschiedene Aufgaben an einen bestimmten Personenkreis zuzuweisen. Das ist im Detail und sehr professionell ursprünglich für den Pferdebereich geplant worden. Mit wenigen Veränderungen lässt sich die App aber sowohl im privaten als auch im unternehmerischen Bereich sehr vielseitig und in ganz unterschiedlichen Branchen einsetzen.
Denkbar ist beispielsweise ein Einsatz im Pflegebereich. Die App könnte eine „Personen-Akte“ je zu pflegender Person abbilden. Dafür müsste es doch einen großen Markt geben. Auch ein Einsatz im Bereich Immobilien- oder Facility Management ist denkbar. Ist dieses vielseitige Potential für Sie ein Trumpf bei der Suche nach Investoren?
Die App überzeugt durch die einfache und nutzerfreundliche Anwendbarkeit und die übersichtlichen Zuordnungen. Und dann kommt es fast nicht mehr darauf an, ob Gegenstand der Aufgaben ein oder mehrere Pferde, ein vielleicht im Familienkreis zu versorgender Angehöriger, eine Vielzahl an Patienten eines ambulanten Pflegedienstes oder auch „nur“ ein zu betreuender Immobilienbestand sind. Technisch läuft alles über ein normales Smartphone. Und sogar im Offlinemodus kann man die Erledigung von Aufgaben erfassen. Da es wenig vergleichbare und schon so weit entwickelte Produkte auf dem Markt gibt, sollte es eigentlich für viele Branchen interessant sein.
Wie zuversichtlich sind Sie, dass Sie Erfolg haben werden?
Das lässt sich schwer prognostizieren. Die App hat jedenfalls aus meiner Sicht ein hohes Potential, den Alltag für viele Bereiche besser planbar und weniger anfällig für Fehler zu gestalten. Vielleicht reicht es auch, mehrere Lizenzen zu vergeben statt die App im Ganzen zu verkaufen. Da die Gesamtverbindlichkeiten nicht sehr hoch sind, könnten auch so die betroffenen Gesellschafter bei einem positiven Verlauf durchaus wieder schnell „ins Geld“ kommen und die Insolvenz sogar vielleicht vorzeitig beendet werden.